Am Montag, 13. Mai 2025 durfte eine 15köpfige Gruppe des Netzwerks heterogen lernen die mehrfach preisgekrönte Alemannenschule in Wutöschingen ASW besuchen.
Die Gruppe war so heterogen zusammengesetzt wie kaum je zu vor bei einem bewegten Einblick – Lehrpersonen, Schulleitungen, Dozierende und Mitglieder der Hochschulleitung der PH Graubünden, aber auch Vertreter aus dem Hochbaudepartement des Kantonsgraubünden sowie Führungspersonen aus dem Schulamt des Fürstentums Lichtenstein liessen sich durch diesen aussergewöhnlichen bewegten Einblick sichtlich bewegen. Denn was die Alemannenschule in Wutöschingen – nur unweit der Schweizer Grenze am Fusse des Schwarzwaldes gelegen, zu zeigen hat, sucht seinesgleichen.
Seit rund 10 Jahren verfolgt die öffentliche Schule des idyllischen Dorfes Wutöschingen mit viel Herzblut und grossen Engagement eine beeindruckende Schulentwicklung. „Unterricht ist nicht die Lösung, sondern der Anfang des Problems!“ – so oder in leicht anderen Worten lässt sich Stefan Ruppaner, der damalige Schulleiter und treibende Kraft, gerne zitieren. Und tatsächlich: Die ASW hat den Unterricht abgeschafft. Und die klassischen Schulzimmer auch gleich.
Wer jetzt – beim immerhin rund 800 Schüler:innen vom Kindergarten bis zum Abitur (der deutschen Matura) an Chaos denkt, der wird bei einem Rundgang durch den Campus mit mehreren Gebäuden und einer schönen Aussenanlage schnell eines besseren belehrt: Obwohl niemand von den Schüler:innen zu keiner Zeit verbindlich irgendwo sein muss, weil es weder fixe Stundenpläne, noch Lektionen oder Klassenzimmer gibt, herrscht überall eine geschäftige und konzentrierte Lernatmosphäre, die einem sofort in den Bann zieht und beeindruckt. So viel gelebte Selbstdisziplin bei gleichzeitig riesiger Wahlfreiheit für alle Lernenden – ein starkes Erlebnis!
Stark und beeindruckend sind auch die je nach Altersstufe anders gestalteten Lernräume. Kinder von rund drei bis vier altersgemischten Jahrgängen teilen sich zusammen ein Lernhaus. Herzstück ist jeweils der sogenannte Marktplatz: offen, lichtdurchflutet und mit zum Austausch und Verweilen einladender Möblierung dienen die Marktplätze dem gemeinsamen Arbeiten, Denken, dem CoLearning und dem Austausch über Herausforderungen und Erfolge mein Lernen. Lernbegleiter sind dezent im Hintergrund und können jederzeit herbeigerufen werden.
Zu jedem Lernhaus gehört auch eine Lernlandschaft – ein Ort der Stille, wo jedes Kind einen individuellen Arbeitsplatz und Rückzugsort hat. Fast schon beiläufig gibt es auch noch verschiedene Inputzimmer, in welchen – wohlgemerkt immer freiwillig! – Lehrpersonen kurze Inputs und Angebote zu bestimmten Themen machen. Wann und wo diese stattfinden, sehen die Schüler:innen auf ihren Tablets oder auf den Screens in den Markplätzen. Wer Fragen hat oder eine Erklärung will, geht hin, aber niemand muss.
Ganz besonders ist die Lernarchitektur im Haus der gymnasialen Oberstufe, die beim jüngsten Neubau aktiv einbezogen wurde. Was sofort auffällt: Der mit Wow-Effekt gestaltete Markplatz wird hier nicht wie in den anderen Häusern durch eine Lernlandschaft mit individuellen Arbeitsplätzen ergänzt, sondern durch eine Vielzahl an ganz unterschiedlichen Räumen mit jeweils anderen Funktionen. Es gibt Konferenzräume, Beratungszimmer, MINT-Ateliers, ein Gym, Plauderzonen, Ruheräume, eine Cafeteria, einen Meditationsraum, Kreativateliers, Gruppenräume, um nur ein paar zu nennen. Alle stehen allen zur freien Nutzung zur Verfügung. Und zwar immer. Immer heisst an der ASW wörtlich immer: Die Schüler:innen der obersten Altersgruppe bekommen einen Schlüssel und dürfen diese wunderbare Infrastruktur 365 Tage im Jahr 7/24 frei nutzen – und das funktioniert.
Und als ob dieses einzigartige und zurecht preisgekrönte und mehrfach ausgezeichnete Lern-, Zeit- und Raumkonzept nicht schon revolutionär genug wäre, kommt jeweils am Nachmittag noch ein weiteres Element hinzu: Denn nach dem Mittag wird das ganze Dorf zur Schule: In AGs arbeiten Schüler:innen auf Bauernhöfen, beim Dorfbäcker oder einer Schreinerei, sind in einem lokalen Wirtschaftsunternehmen involviert oder machen im Rathaus mit dem Gemeindepräsidenten politische Bildung. Noch näher ans Leben kann Schule wirklich nicht mehr gebracht werden.
Dass wir tief beeindruckt und nachhaltig bewegt die Rückfahrt angetreten haben und dass die Stunden im Zug wie im Flug vergingen, weil wir so in Diskussionen vertieft nach Hause fuhren, das erstaunt wohl niemanden. Selten hat ein Einblick in eine Schule so viel Begeisterung und Nachdenken ausgelöst. „Unterricht ist nicht die Lösung, sondern der Anfang des Problems!“ Vielen von uns wird wohl dieser markige Ausspruch noch lange in Erinnerung bleiben – denn dieser Besuch hat gezeigt, dass das mehr als nur Worte sind.
Fotografien ist an der ASW verboten – aus nachvollziehbaren Gründen. Wer mehr von der ASW sehen und sich in ihr Konzept, zum Beispiel die Schmetterlingspädagogik, vertiefen will, findet Impressionen und Texte auf der Webseite: https://asw-wutoeschingen.de